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Der sechste Kondratieff

 

Die neue, lange Welle der Weltwirtschaft

 

© Nefiodow, Leo 2020

Vorwort

 

 

Zu den wenigen wissenschaftlichen Theorien, die eine gesamtgesellschaftliche Analyse und Beschreibung des Strukturwandels ermöglichen, gehört die Theorie der langen Wellen, auch Theorie der Kondratieffzyklen genannt. Sie ermöglicht es, die Interdependenz zwischen den verschiedenen Gesellschaftsbereichen (Wissenschaft, Wirtschaft, Soziales, Moral, Religion) zu erkennen und, darauf aufbauend, eine zuverlässige Zukunftsorientierung zu gewinnen. 

 

Nach der Theorie der langen Wellen befinden wir uns seit der Jahrhundertwende in einem Langzyklus der Weltwirtschaft, dem sechsten Kondratieffzyklus (Abb. 1). Sein Auslöser und Träger ist das Gesundheitswesen; seine Basisinnovationen sind psychosoziale Gesundheit und Biotechnologie. Eine Übersicht über die bisherigen Kondratieffzyklen befindet sich auf dieser Homepage. 

 

Der sechste Kondratieffzyklus

 

Gesundheit ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts der wichtigste Motor für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Die Länder, die sich auf diesen Zyklus früh ausgerichtet haben, konnten die tiefe Rezessionen in 2000-2003 und 2008-2008 am besten überwinden. So sind z. B. seit 2000 zwei Drittel der neuen Arbeitsplätze in den USA im Gesundheitssektor entstanden und Wachstumsgrenzen sind nicht erkennbar. Auch die gute Entwicklung in den deutschsprachigen Ländern ist auf den Ausbau des Gesundheitswesens zurückzuführen. 

Kondratieff

 

Abb. 1: Die langen Wellen der wirtschaftlichen Entwicklung

Quelle: Leo Nefiodow: Der sechste Kondratieff, 2001.

Die Leitrolle des Gesundheitswesens zeigt sich auch darin, dass die Menschen in allen entwickelten Ländern bereit sind, sich für ihre Gesundheit zu engagieren und mehr Geld dafür auszugeben; und dieser Trend wird weiter zunehmen, da die Menschen immer älter werden und dadurch immer länger medizinisch versorgt werden müssen.

 

Megamarkt Gesundheit 

 

Der Gesundheitsmarkt gehört zu den größten Branchen der Welt. Die Gesundheitsausgaben in den USA lagen in 2017 bei rund 3.500 Milliarden US-Dollar – das waren 17,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). 1965 lag der Anteil noch bei 5,9 Prozent. Der allergrößte Teil ging in den traditionellen Gesundheitssektor (Abb. 2). Im Jahr 2024 wird der Gesundheitssektor nach einer Studie des US-Bureau of Labor Statistics der größte Arbeitgeber der USA sein. 


 

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Der traditionelle Gesundheitssektor

 

• Medizintechnik

• Pharmaindustrie

• Krankendienste: Ärzte, Heilpraktiker, Krankenhäuser, Krankenkassen, Krankenversicherungen, Apotheker, öffentliche Gesundheitsdienste, Pflegeeinrichtungen

• Kurbetriebe/Sanatorien

• Betriebsinterne Gesundheitsdienste: Kantine, Betriebssport, Aus- und Weiterbildung (z.B. in sozialer Kompetenz), Personalentwicklung, Gesundheitsmanagement

• Sonstiges (gesundheitsorientiert): Orthopädische Produkte, Sportartikel und -anlagen, Gesundheitsliteratur, medizinische Informatik, usw.

 

Der neu aufkommende Gesundheitssektor

 

• Biotechnologie

• Naturheilverfahren, Naturwaren, Naturkost

• Komplementäre/alternative Medizin

Homöopathie, klassische Akupunktur, Elektroakupunktur nach Dr. Voll, Kinesiologie, Bioresonanz, Anthroposophische Medizin, Magnetfeldtherapien, Zellular Medizin nach Dr. Rath, Biofeedback, Quantenheilung, Traditionelle Chinesische Medizin, Ayurveda, Reiki, Geistheilung usw.

• Umweltschutz (überwiegend)

• Landwirtschaft und Ernährung

• Wellness/Fitness, Gesundheits-Tourismus

• Architektur (gesundes Wohnen), Bauwirtschaft (gesunde Baustoffe und Materialien), Textilindustrie (antiallergische und atmungsaktive Stoffe und Bekleidung), Aromatherapien, Musiktherapien, Farbtherapien

• Eigenmedikation und Eigenbehandlung

Beteiligung der Krankheitsverursacher, zunehmende Eigenbehandlung

• Betriebliches Gesundheitsmanagement

Gesundheit als Wettbewerbsfaktor, Ausbau der Betriebskrankenkassen und sozialen Dienste, Gesundheitsseminare, Gesundheitsvorsorge, Gesundheitsprämien

Neue Gesundheitstechnologien (Nanotechnologie, optische Technologien, Robotik, künstliche Intelligenz, digitale I- und K-Technik, Neurotechnologien, Psychoinformatik) 

• Psychologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik

• Religion/Spiritualität

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Abb. 2: Wertschöpfungskette  ganzheitliche Gesundheit

Quelle: Leo Nefiodow: Der sechste Kondratieff, 2014

 

 

Die Wachstumsbarriere des 6. Kondratieffs 

 

Jedem neuen Kondratieffzyklus steht zunächst eine oder mehrere Barrieren entgegen und es braucht eine gewisse Zeit, bis sie überwunden wird und er sein volles Potential entfalten kann. Die größte Barriere des sechsten Kondratieffs ist die globale soziale Unordnung. Was ist damit gemeint?

 

Addiert man die Kosten, Verluste und Schäden, die weltweit durch Betrug, Diebstahl, Lügen, Sabotage, Drogen, Gewalt, Hacking, Cybererpressung, Krieg, Flüchtlingsströme, Klimawandel, Umweltzerstörung usw. entstehen, dann kommt man für das Jahr 2019 auf einen Betrag von 20.000 Milliarden US-Dollar. Das war mehr als das Bruttoinlandsprodukt der USA. Für den sechsten Kondratieff - wie auch für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt - stellt dieser Sektor die wichtigste Barriere dar, weil er die Ressourcen entzieht, die für einen robusten und nachhaltigen wirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Fortschritt benötigt werden. 

 

Und die soziale Unordnung wächst immer noch rascher als die reguläre Wirtschaft. Das bedeutet: Innovationen werden behindert, die Produktivität bleibt niedrig, die Funktionsfähigkeit der sozialen Institutionen nimmt weiter ab, die Schulden nehmen weiter zu und die Gesamtentwicklung bleibt krisenanfällig.

 

Psychosoziale Gesundheit als soziale Therapie 

 

Um die soziale Unordnung wirkungsvoll zu reduzieren genügt es nicht, neue Gesetze zu erlassen, mehr Polizisten einzustellen und noch mehr Gefängnisse zu bauen. Damit werden lediglich die Symptome behandelt. Will man die soziale Unordnung wirkungsvoll bekämpfen, dann muss man beim Menschen und seinen Defiziten, Störungen und Krankheiten ansetzen.

 

Das wird deutlich, wenn das Verhalten gesunder Menschen zum Vergleich herangezogen wird: Ein geistig gesunder Mensch nimmt keine Drogen, kann maßhalten, geht verantwortungsvoll mit den natürlichen Ressourcen um. Ein seelisch gesunder Mensch betrügt nicht, ist nicht käuflich, ist wahrhaftig. Ein sozial gesunder Mensch beutet andere Menschen nicht aus, raubt keine fremden Wohnungen aus, hat Gemeinschaftsgefühl. Ein spirituell gesunder Mensch hat eine vertrauensvolle Beziehung zu Gott, tritt für Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden ein und verbreitet weder Hass noch Gewalt. 

 

Ohne das Bemühen um eine Gesundung der Menschen, genauer: des

Innenlebens der Menschen, wird es nicht gelingen die soziale Unordnung nachhaltig abzubauen und die Wirtschaft auf ein zukunftsorientiertes Fundament zu stellen. 

 

Die zweite Barriere des sechsten Kondratieffs ist die niedrige Produktivität im Gesundheitswesen. Das moderne Leben stellt hohe Ansprüche an unsere Belastbarkeit, dem das heutige Gesundheitswesen nicht mehr gewachsen ist, weil es kein echtes Gesundheitswesen ist, sondern nur so bezeichnet wird. Geld verdient man in diesem System nicht, indem man Menschen heilt, sondern indem man ihre Krankheitssymptome behandelt. Das führt zu immer mehr Störungen und Krankheiten, zu mehr chronischen Erkrankungen und zu ständig wachsenden Ausgaben für Diagnosen, Medikamente, Therapien und Verwaltung. 

 

 

Abb. 3: Die fünf Ebenen der ganzheitlichen Gesundheit

Quelle: Leo Nefiodow: Der sechste Kondratieff, 1996.

Schlusswort

 

Gesundheit war schon immer für die Weiterentwicklung der Gesellschaft wichtig, weil Gesundheitsausgaben Investitionen sind und die Produktivität auf allen Ebenen - individuell, betrieblich, gesellschaftlich - verbessern. Die Länder, die ein gut ausgebautes und funktionierendes Gesundheitswesen haben, sind bereits jetzt die erfolgreichsten. Wenn es gelingt, das Gesundheitswesen noch stärker auf die fünf Ebenen auszurichten (Abb. 3), dann kann es auch gelingen, die soziale Unordnung in den Griff zu bekommen, die Produktivität des Gesundheitswesens zu erhöhen und - wie auch in den früheren Kondratieffzyklen - in eine lange Phase der Prosperität einzutreten.   

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